Lydia

"Ich entscheide für mich, dass ich kein Kind mehr möchte."

 

❗ Inhaltshinweis ❗

Fluchterfahrung

 

Ich wurde 1956 in der DDR geboren. Da meine Eltern eine große Bäckerei und Landwirtschaft hatten, hatte meine Mutter kaum Zeit für mich und so war ich meistens bei meinen Großeltern im Nachbarort. Dort fühlte ich mich geborgen. Meine Eltern bekamen noch zwei weitere Kinder, die zum Teil von Angestellten versorgt wurden. 1961 verließen meine Eltern die DDR, mein Vater entschied: "Alle oder keiner!" So fand ich mich als Flüchtlingskind in einer Familie wieder, in der ich die Großmutter sehr vermisste (mein Großvater war kurz vor unserer Flucht tödlich verunglückt).

 

Meine Mutter war mit 19 Jahren, mit mir, ungewollt schwanger geworden. Da schickte dann der eine Großvater dem anderen ein ärztliches Attest und es wurde in einem schwarzen Kleid katholisch geheiratet. Ich denke, sie war oft mit der Situation, in der sie sich befand, überfordert. Drei Kindern gleichzeitig gerecht zu werden, war sicher schwierig.

 

So war für mich schon sehr früh klar, ich möchte nur ein Kind! Als ich mit 16 Jahren meinen Mann kennenlernte, erzählte ich ihm schon nach kurzer Zeit, dass ich ein Kind möchte und zwar nur eins. Mit 18 heirateten wir und mit 22 bekam ich einen Sohn. Die Schwangerschaft war beschwerlich und ich war glücklich, dass das Kind gesund war. Danach war für mich die Familie komplett! 

 

Ich versuchte die damals üblichen Verhütungsmittel (Pille, Spirale, Dreimonatsspritze), die ich jedoch nicht gut vertragen habe. Vor meiner Schwangerschaft habe ich in einem Krankenhaus mit einer Gefäßabteilung gearbeitet. Hier habe ich Frauen erlebt, die Krampfadern und Embolien hatten, was der damalige Chefarzt oft mit der Einnahme der Pille in Zusammenhang brachte. Ich wollte meinen Körper nicht ständig unnötigerweise Hormonen aussetzen. So besorgte ich mir eine Überweisung in eine Frauenklinik. 

 

Der dort aufklärende Arzt versuchte, mich von meinem Vorhaben abzubringen. 

Er sagte: "Sie sind noch jung, und was ist, wenn Ihrem Kind etwas passiert und Sie möchten doch wieder schwanger werden?" 

Ich antwortete: "Ich will kein anderes Kind, es wäre nicht dieses Kind und ich möchte keine Schwangerschaft mehr."

Nach einem längeren Hin und Her, in dem alle Für und Wider erörtert wurden, sagte er dann: "Ok, dann brauchen wir nur noch die Unterschrift von Ihrem Mann."

Darauf erwiderte ich: "Wie viele Männer soll ich Ihnen denn bringen?"

Er: "Ja, haben Sie denn mehrere Männer?"

Ich: "Nein, aber Sie haben eben selber gesagt, ich sei noch jung und könnte nicht wissen, wie mein Leben weiter verläuft. Das ist auch richtig und darum entscheide ich für mich, dass ich kein Kind mehr möchte. Was mein Mann möchte, muss er für sich entscheiden." 

 

Natürlich hatte ich es vorab mit meinem Mann besprochen und er hätte sicher auch unterschrieben, aber ich fand es unmöglich, dass mein Mann mit seiner Unterschrift über mich bestimmen sollte! Wahrscheinlich ging ich dem Arzt so auf die Nerven, dass er kapitulierte, und so wurde ich am nächsten Tag sterilisiert.

 

Ich habe diese Entscheidung nie bereut. Ich habe es stets als entspannteres Leben empfunden. Wie jemand sein Leben einrichten möchte, ist eine sehr persönliche Entscheidung, die niemand sonst in Frage zu stellen hat! Mir war es auch immer wichtig, für mich selber sorgen zu können, ohne von einem Mann abhängig zu sein. Dies ist natürlich mit einem Kind leichter als mit weiteren. So habe ich 2 Monate nach der Entbindung wieder gearbeitet und war immer unabhängig.

 

Ich bin bis heute immer noch mit demselben Mann verheiratet und wir haben diese Entscheidung nie bereut!

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