❗ Inhaltshinweis ❗
Unverständnis im Umfeld, Tod
Sobald ich mit den pubertären Sinnfragen des Lebens fertig war, wusste ich eines genau: Ich möchte keine Kinder, keine Familie gründen. Später kam noch das Lebensziel "nie von einem Mann finanziell abhängig zu sein" dazu. Beides war sehr klar. Anfangs habe ich mit jugendlicher Naivität dies auch mit meiner Umgebung, d. h. Freunden, Verwandtschaft etc. offen diskutiert. Aber ich traf immer nur auf Unverständnis: Warte, bis Du den richtigen Mann kennenlernst, Kinder sind Zukunft, dann bist Du im Alter alleine, ich wäre egoistisch, etc.
Irgendwann habe ich nicht mehr diskutiert. Heimlich die Emma gelesen, mich über Sterilisation informiert. Und hey – damals gab es noch kein Internet oder Facebook! Erstmals das Thema beim Frauenarzt Anfang/Mitte 20 angesprochen, aber er hat dies eher als allgemeines Info-Gespräch über Verhütungsmethoden verstanden. Schnell war klar, vor dem 30. Lebensjahr geht gar nichts. Schwangerschaften ab 30 wurden damals als Hochrisiko-Schwangerschaften bewertet. Also beschloss ich, auf meinen 30. Geburtstag zu warten und dann zu handeln.
Mit 30 sofort zum Frauenarzt, Bitte ausgesprochen, das freundliche Verhalten erfror sofort, aber ich hatte die Überweisung in der Hand. Anschließend Urlaub genommen, mich nicht krankschreiben lassen, so gut wie niemanden informiert. Im sogenannten Aufklärungsgespräch im Krankenhaus geheult wie ein Schlosshund, wegen all der Fragen, die ich als Vorwurf/Inquisition empfunden habe, und mit der großen Angst, der Eingriff würde verweigert.
Der endoskopische Eingriff (nur zwei kleine Schnitte: einen im Bauchnabel, einen im Schambereich) war damals noch mit einem stationären Aufenthalt verbunden. Ich lag später in einem 5-Bett-Zimmer auf der Gynäkologie unter frisch gebackenen Müttern (Horror – ihre Fragen, warum ich im Krankenhaus war, wollte ich nicht beantworten!). Ich habe mich selbst entlassen und bin die Woche drauf mit Unterleibsschmerzen arbeiten gegangen.
Spätere Fragen bzgl. Kinderwunsch habe ich nur knapp beantwortet, nach dem Motto "geht bei mir nicht". Dies wurde meist mit viel Mitleid akzeptiert. Damit konnte ich gut leben. Einmal wurde ich auch gefragt, warum ich keine Kinder aus Entwicklungsländern adoptieren würde (Hilfe! – die spinnen doch!).
Ich habe meine Sterilisation nie bereut. Später mit Anfang/Mitte 40 ist dann noch eine Gebärmutterschleimhautverödung durchgeführt worden. In erster Linie aus medizinischen Gründen (zu lange und heftige Menstruationen), aber danach hatte ich gar keine Regelblutung mehr. Herrlich! Hier habe ich bereut, dass dies nicht schon viel früher durchgeführt worden ist.
Mein anderes Lebensziel, die finanzielle Unabhängigkeit habe ich auch erreicht. Trotzdem mit Ende 30 die Liebe meines Lebens geheiratet, und wir hatten eine tolle Ehe, Kinder nicht vermisst und getrennte Konten. Und je älter man wird: Irgendwann wird man nicht mehr nach dem Kinderwunsch gefragt.
Leider ist mein Mann zu früh verstorben, aber auch in meinem Witwenleben vermisse ich nicht den Nachwuchs. Ich finde es gut, niemandem ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn das Kind sich nicht um die arme Witwe kümmert. Auch musste ich in der Trauerphase auf niemanden Rücksicht nehmen. Für meine Vorsorge und Patientenverfügung habe ich jetzt eine Rechtsanwältin beauftragt. Okay, diese Leistungen müssen im Fall des Falles bezahlt werden. Aber sie wird in meinem Sinne handeln und nicht so, dass das Erbe möglichst groß bleibt.
Es ist mein Leben. Warum bekommt man so viel Hass zu spüren, wenn die eigenen Lebensziele nicht dem Mainstream entsprechen? Das werde ich nie verstehen. Ich habe auf meine innere Stimme gehört und meine Entscheidung war richtig, immer, jederzeit.